Von Beginn an versuchen wir unseren Hunden alles Mögliche beizubringen. Sie sollen lernen sich so zu verhalten, wie wir Menschen es derzeit für richtig halten. Früher haben wir unsere Hunde als Wachhunde, Hütehunde oder Jagdhunde eingesetzt. Heute wollen wir gesellschaftsfähige Hunde. Hunde, die uns überall hin begleiten und dabei möglichst wenig auffallen. Dazu gehört eine ganze Menge an Verhalten, dass eigentlich für einen Hund ganz und gar nicht typisch ist. Das beginnt beim „Verstehen“ unserer Sprache, Mimik und Gestik. Wenn wir ehrlich sind, ist das Meiste davon nicht wirklich „Hündisch“. Trotzdem erwarten wir irgendwie, dass sie uns verstehen. Sie sollen sitzen, liegen oder Pfötchen-Geben wenn wir es wollen. Sollen mit uns spielen und schmusen wenn wir es wollen. Sie sollen uns aber nicht beim Essen stören oder wenn es uns aus einem anderen Grund gerade nicht passt. Sie sollen alleine zuhause bleiben, wenn wir sie nicht mitnehmen wollen/können. Sie sollen uns in Restaurants und Cafés begleiten können, aber nicht auf die Jagd gehen oder andere Instinkte ausleben. Die Liste der Anforderungen an den modernen Familienhund ist lang und der Weg dorthin meist ebenso.

Wer mit Hunden arbeitet, lernt viel über sich selbst

In den letzten zweieinhalb Jahren hat mein Hund bereits Vieles gelernt. Für Manches brauchen wir noch etwas mehr Zeit. Anderes haben wir wieder von unserer Liste gestrichen, weil es nicht wichtig für unser gemeinsames Zusammenleben ist. Was ich aber ebenfalls mit Sicherheit sagen kann ist, dass ich mindestens genauso viel gelernt habe wie mein Hund. Während ich versucht habe meinem Hund alles Mögliche beizubringen, habe ich festgestellt, dass ich ebenso an mir arbeiten muss, damit es funktioniert. Dazu gehört zum Beispiel Stärke und Selbstvertrauen auszustrahlen, damit mein Hund mir vertrauen kann. Denn nur wenn er mir vertraut, wird er in schwierigen Situationen in der Lage sein, sich so zu verhalten wie ich es möchte. Er muss darauf vertrauen können, dass ich in einer kritischen Situation die richtige Entscheidung für uns beide treffen werde, so dass er sie nicht alleine lösen muss. Ich muss Stärke und Selbstvertrauen ausstrahlen, damit er meine Entscheidungen nicht in Frage stellt und sich gerne auf mich verlässt und mir folgt. An dieser Fähigkeit muss ich immer noch täglich arbeiten. In der Vergangenheit ist mir das oft nicht gelungen. Das ist ein Grund dafür, dass mein Hund sich zu einem eher ängstlichen Hund entwickelt hat.

Die Arbeit mit Hunden erfordert Ruhe und Gelassenheit

Eine weitere wichtige Eigenschaft, die ich in unserem gemeinsamen Lernprozess erlernt habe, ist Ruhe und Gelassenheit. Mit einem Hund zu arbeiten erfordert stets viel Geduld und Zeit. Ein Verhalten so zu festigen, dass es auch in Ernstsituationen abrufbar ist, muss langsam aufgebaut und gesteigert werden. Dazu gehört auch sich Selbst und Anderen Fehler verzeihen zu können und nicht aufzugeben. Mein Hund hat mir außerdem beigebracht, mir selbst treu zu bleiben und zu mir und meinen Gefühlen zu stehen. Tiere sind in jeder Situation sie selbst und tragen ihre Gefühle direkt nach außen. Das ist eine Fähigkeit, die uns Menschen häufig sehr schwer fällt. Wir sind gehemmt von Eitelkeiten, Vorurteilen und Höflichkeiten. Wir sind nur selten ganz im Moment. Ohne Gedanken an die Vergangenheit oder die Zukunft. Sich um einen Hund zu kümmern ist mit einer Menge an Zeit und Arbeit verbunden, aber im Gegenzug bekommt man bedingungslose Loyalität und Liebe zurück. Wenn wir es zulassen, haben wir die Chance von unseren Hunden zu lernen und eine Menge über uns selbst zu erfahren.

22. Januar 2019